Die aktuellen Auswertungen der Krankenversicherer zeigen: die Zahl der psychisch bedingten Krankschreibungsfälle ist so hoch wie nie. Burnout, Depression und Angststörungen sind nach wie vor die Hauptursache für längerfristige Krankschreibungen. Eine aktuelle Untersuchung der Techniker Krankenkasse aus 2022 ergab einen Anstieg der Fehltage pro erwerbstätiger Person aufgrund einer psychischen Erkrankung von 2,46 Tagen (2012) auf 3,33 Tage (2022) – ein Anstieg von 35 Prozent.
Arbeitsplatz hat großen Einfluss auf die psychische Gesundheit
Viele Erklärungsansätze werden dabei diskutiert. Sicher ist jedoch, dass beispielsweise die Dauerbelastung unter Pandemiebedingungen und damit einhergehende Veränderungen (Isolation, Wegfall von Ausgleich, etc.) einen Anteil an diesem Anstieg gehabt haben wird. Der Ukraine-Krieg, die sich daraus ergebenen Preissteigerungen oder die deutlicher werdenden Folgen des Klimawandels sorgen dafür, dass sich heute tendenziell mehr Menschen Gedanken machen (müssen) über ihre Zukunft. Die heutige Arbeitswelt, geprägt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit („VUCA-Welt“) und Entwicklungen durch fortschreitende Globalisierung und Digitalisierung tragen insgesamt zu einer Beschleunigung und Verdichtung der Arbeit bei. Wenn all die mit Überforderung und Druck einhergeht, kann die psychische Gesundheit von Arbeitnehmenden darunter leiden. Gleichzeitig gilt: eine erfüllende Arbeitsstelle kann die Lebenszufriedenheit deutlich steigern.
Wann besteht Handlungsbedarf?
Eines vorab: psychische Erkrankungen können insbesondere in belastenden Ausnahmezeiten jeden treffen. Grundsätzlich entscheidend ist, in welcher Balance persönliche Ressourcen und Belastungsfaktoren zueinanderstehen, wobei unter Fachexperten- und expertinnen dabei häufig das Vulnerabilitäts-Stress-Modell herangezogen wird. Bei diesem wird davon ausgegangen, dass abgesehen von persönlichen Eigenschaften und Veranlagungen die Entstehung einer psychischen Erkrankung wie einer Depression oder einer Angststörung dann begünstigt wird, wenn die eigenen Ressourcen und Schutzfaktoren nicht (mehr) ausreichen, mit den gegebenen Belastungsfaktoren angemessen umzugehen.
Anhaltende Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen, innere Unruhe, Gereiztheit, Energieverlust oder Appetitverlust können dann erste Anzeichen einer psychischen Erkrankung sein. Weitere Indikatoren können sein, dass die Bewältigung des Alltags plötzlich als deutlich anstrengender oder beinahe unmöglich erlebt wird oder Betroffene bemerken, dass sie Aktivitäten, wie z.B. einkaufen oder den Besuch öffentlicher Orte lieber vermeiden oder nur unter Angst erledigen können. Halten die Symptome über mehrere Wochen an, ist es ratsam, sich Hilfe zu holen.
Rechtzeitig wieder in Balance kommen
Vorbeugen mit aufmerksamer Selbstfürsorge: Anspannung und einem stressigen Alltag sollten immer wieder Momente der Entspannung entgegenstehen. Zum Beispiel durch bewusste Pausen im Alltag, Zerstreuung durch Hobbys, regelmäßige Entspannungsübungen oder andere Wege, um der Seele etwas Gutes zu tun. Einer der wichtigsten Schutzfaktoren ist das soziale Netz. Dabei ist nicht die Größe des Freundeskreises entscheidend, sondern wie unterstützend Menschen ihr Umfeld erleben. Wer aktiv Freundschaften, familiäre Beziehungen und andere angenehme Kontakte wie zum Beispiel im Kollegenkreis pflegt, stärkt seine Resilienz. Der viel zitierte gesunde Lebensstil wirkt auch positiv auf die menschliche Psyche. Dazu zählt regelmäßige Bewegung, frische Luft und eine gesunde Ernährung. Sport, insbesondere Ausdauersport, führt zur Ausschüttung des „Glückshormons“ Serotonin und wirkt daher stimmungsaufhellend und entspannend.
Neben dem, was jeder und jede einzelne für sich und die eigene Gesundheit tun kann, kommt auch Arbeitgebern eine gewichtige Rolle zu – eben, weil der Arbeitsplatz viel zur individuellen Lebenszufriedenheit und (mentalen) Gesundheit beitragen kann. Führungsverhalten, Unternehmenskultur, Freiheitsgrade in der eigenen Arbeitsgestaltung oder Fragen der individuellen Erreichbarkeit sind da beispielsweise Ansatzpunkte. Mit den Möglichkeiten des betrieblichen Gesundheitsmanagements können Arbeitgeber ihre Arbeitnehmenden zudem unterstützen. Im Bereich der digitalen Lösungen wird es Unternehmen bei minimalem Implementierungsaufwand ermöglicht, BGF-Maßnahmen zu integrieren. Bestenfalls kann ein Mix aus (Präventions-)Kursen, Informationen und der Möglichkeit, persönliche Coachings bei Psychologen, Ärzten, Sozialpädagogen und Gesundheitsmanagern in Anspruch zu nehmen, Arbeitnehmende in den verschiedensten Lebenssituationen abfangen und unterstützen..